Vortrag von Sylk Schneider, Weimar, am 4.Juni 2014
Wer hat je davon gehört, dass Goethe in Brasilien gewesen sei? Das fragten sich die Mitglieder der Goethe-Gesellschaft Gera vor Beginn der Veranstaltung.
Brasilien war zu Goethes Zeiten ein noch rel. unbekanntes Land und wurde als „Land der Menschenfresser“ von vielen ignoriert, so auch von Goethe in seinem Gedicht „Todeslied eines Gefangenen“ 1782. Erst in seinen späten Lebensjahren wurde Goethes Interesse an Brasilien geweckt. Er beschäftigte sich intensiv mit allem, was Brasilienreisende an Erkenntnissen mit nach Europa brachten. Im Jahr 1825 sind das nach seinen Tagebuchaufzeichnungen ca. 200 Std. gewesen, die er allein diesem Thema widmete.
!806 war die Schlacht bei Jena und Auerstedt, aber Napoleon überfiel in diesem Jahr auch Portugal. Der König floh mit seinem gesamten Hofstaat auf 30 Schiffen nach Brasilien, der damaligen Kolonie des Landes, arm und unterentwickelt. Das änderte sich mit der Ankunft des Königs, der aus Europa das „know how“ mitbrachte und Industrie, Häfen, Druckereien etc. ins Leben rief. In den späteren Jahren regierte er Portugal von Brasilien aus.
Schon seit langer Zeit weckt Brasilien auch das Interesse deutscher Gelehrter. Alexander von Humboldt bereiste das Land 1799 – 1804 und bewies u.a. den Zusammenfluss von Amazonas und Orinoko. Er schrieb 1807 an Goethe und widmete ihm einen Teil seiner Reisebeschreibungen. Goethes Interesse war geweckt. Er schreibt in einem Brief an Knebel, er hätte Lust, eine Reise nach „Indien“ zu machen.
Aber auch andere Europäer wurden in Brasilien tätig. Ludwig Baron von Eschwege, einem hessischen Adligen, dem die Heirat mit Sophie v. Baumbach versagt wurde, weil er nicht begütert genug war, ging 1804 nach Portugal und dann nach Brasilien. Dort baute er das Geologische Kabinett auf und gründete die erste Eisenerzhütte. Eschwege wurde in Brasilien reich. Als er 1822 zurück nach Europa kam, ging er nach Weimar, weil Sophie v. Baumbach dort Hofdame war und heiratete seine Jugendliebe. Goethe fragte Eschwege nach Brasilien aus. Man fand dort Mineralien und Diamanten, die auch Carl Augusts Interesse weckten. 1800 Taler stellte er für entsprechende Ankäufe bereit.
1817 sollte eine Brasilien –Expedition starten, an der sich der Herzog wiederum mit 1000 Talern beteiligen wollte. Ein Wissenschaftler sollte die Expedition begleiten. Die Reise kam jedoch nicht zustande.
Mit Graf v. Sternberg, der das Naturkunde -Museum in Prag gründete, hatte Goethe einen lebhaften Briefwechsel. Es gab auch zwischenzeitlich Brasilien- Literatur, die Goethe anschaffte und z.T. übersetzen ließ.
1815 – 1817 war Prinz Wied zu Neuwied auch in Brasilien. Seine Beschreibungen der Natur- und Pflanzenwelt Brasiliens mit Zeichnungen und Naturgemälden war beeindruckend. Er entdeckte in Bahia eine neue Pflanze, eine brasilianische Malvenart, die er „Goethea“ nannte. Bis heute ist damit Goethes Name als „Brasilianist“ geehrt.
Ritter von Martius, ein junger Mann, der mit seinen Werken („Flora Brasiliensis“ und über die Palmenarten Brasiliens) bedeutendes schuf, war einer der wichtigsten Gesprächspartner Goethes. Er nahm, so heißt es, nur 2 Bücher nach Brasilien mit: die Bibel und Goethes „Faust“. Es gab auch einen regen Briefwechsel zwischen den beiden.
Zitat:„Die berühmte „Reise in Brasilien“ von Johann Baptist von Spix und Carl Friedrich Phillipp von Martius ist bis in die heutige Zeit ein Referenzwerk für Historiker, Naturkundler und Brasilienforscher. Es ist daher nicht verwunderlich, dass dieses große Werk auch den Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe in seinen Bann zog, der sich damals, schon in hohem Alter, gerade dem zweiten Teil des „Faust“ widmete. Das Interesse an Brasiliens Flora und Fauna im damaligen Weimar war groß; es ist daher bezeichnend, dass auch in Goethes Bibliothek Studien zu diesen Themen zu finden waren. Dies wiederum regt uns an, darüber nachzudenken, wie sehr Brasilien die Phantasie Goethes beflügelt haben könnte…“(aus dem Grußwort des bras. Botschafters Correa in Deutschland)
Goethe hatte gern Gäste zu Besuch, auch Brasilien- Reisende, die er befragte, weil er im hohen Alter selbst nicht mehr reisen konnte.
1822 erklärte Brasilien seine Unabhängigkeit, die von Deutschland auch anerkannt wurde. Die deutsche Einwanderung nach Brasilien, von der österreichischen Prinzessin Leopoldina, Gemahlin von Kaiser Pedro I. gezielt gefördert, nahm 1824 ihren organisierten Anfang.
Der Dichterfürst Goethe – oder, wie es Dr. Ernst Feder 1932 ausdrückte: Goethe der Brasilianer – hätte zumindest in Gedanken einer von ihnen sein können.
“Goethea“
1932, zum 100. Todestag Goethes, wurde in Rio de Janeiro ein Naturschutzgebiet der „Goethea“ zu Ehren errichtet. In vielen Botanischen Gärten wird dieser brasilianischen Malvenart Ehre erwiesen und auf die Verbindungen zu Goethe und Goethes Brasilieninteresse hingewiesen.
Marianne Heide