Goethe Gesellschaft Gera e.V. » 27. August 2013 Vortrag von Dr. Friedrich Schorlemmer

27. August 2013 Vortrag von Dr. Friedrich Schorlemmer

erstellt am: 27.08.2013 | von: beke | Kategorie(n): Rückblick

„Von den Fesseln des Marxismus in die Fallen des Marktismus. Gier als Prinzip“, Vortrag von Dr. Friedrich Schorlemmer, Wittenberg

Am 27. August 2013, dem Vorabend von Goethes Geburtstag, luden wir zu einem Vortragsabend mit dem prominenten ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Dr. Friedrich Schorlemmer in den Saal des Kompetenzzentrums der Geraer Sparkasse ein. Entgegen jeglicher Skepsis des Vorstandes war der Saal proppenvoll; nachdrücklicher Beweis dafür, dass wirtschaftspolitische Themen durchaus auf Interesse stoßen. Schorlemmer führte vor Augen, dass der Staatssozialismus nicht in der Lage war, seine wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Ein Weltsystem, das die Geschichte neu anzufangen sich angeschickt hatte, ist gescheitert – an sich selbst und an der Konkurrenz mit einem effizienten Kapitalismus. An die Stelle der Marx-Ideologie ist nunmehr eine Markt-Ideologie getreten, die sich weithin und weltweit dem steuernden politischen Eingriff entzieht, eine Sonderwelt als globale Finanzwirtschaft entwickelt und als grenzenlose Ausbeutung und Ausplünderung des Planeten wirkt. Wurde das marxistische Gesellschaftsmodell von der Grundannahme bestimmt, dass der Mensch zum andern ein Mitmensch sein wolle, so wird das neoliberale weltkapitalistische System im Wesentlichen von einer dem Menschen innewohnenden Gier angetrieben. An die Stelle von Kooperation tritt Konkurrenz, anstelle der Ehrfurcht vor dem Leben die Herrschaft über alles Leben. Die total beherrschte Welt entgleitet dem Menschen in Maßlosigkeit.. Gibt es einen Ausweg? Eine andere Welt oder einen anderen Menschen? Wie ließe sich beides miteinander so verbinden, dass sich Entfaltungsfreiheit und Sozialbindung einander bedingen?
Schorlemmer bestärkte das Publikum zum Mut für Veränderungen. Er wandte sich gegen jegliche Utopien, die allesamt zum Scheitern verurteilt sind, sprach sich hingegen für Visionen für eine gerechtere, ökologisch nachhaltige Welt aus. Dazu solle der Mensch an sich selbst arbeiten, stets bestrebt sein, diese Welt als „guter Mensch“ zu verlassen, durch sein früheres Handeln soll sie eine „gute Welt“ sein. Gewiss ist es wenig, was der Einzelne tun kann, wenn es jedoch viele sind, ist es viel.
Der aus Wittenberg angereiste evangelische Pfarrer und streitbare Publizist warnte vor einer Profitgier, die künftige Generationen ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Selbst bescheidene Ideen, die Natur zu schützen, bekämen nur wenige Chancen. Schorlemmer nannte hierzu die Idee der Regierung von Ecuador (nicht Paraguay), die den Verzicht auf Erdölbohrungen in ihrem Nationalpark signalisierte, wenn die internationale Gemeinschaft eine gewisse Entschädigung zahlen würde. Letztlich sei jedoch eine sehr geringe Summe zustande gekommen.
Mitunter geriet der Vortrag etwas weitschweifig, dennoch fand der Referent stets zum roten Faden zurück. Manche Bemerkungen sorgten für Heiterkeit; etwa sein Vergleich mit den Kinder und Jugendliche verblödenden Nachmittagsprogrammen von Privatsendern mit vormaligen Pioniernachmittagen. Wobei Schorlemmer vermutlich an letzteren wohl kaum teilgenommen haben dürfte. Mehrere Besucher erinnerten sich hingegen an durchaus interessante Zusammenkünfte aus ihrer Schulzeit.
Dass der Vortrag insgesamt auf Zustimmung stieß, bewies der starke Beifall der zahlreichen Besucher. Manche nutzten am Schluss die Gelegenheit zur Autogrammstunde und zu persönlichen Gesprächen mit dem prominenten Gast.
B. Kemter

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